Die 76. Internationalen Filmfestspiele von Cannes bildeten den perfekten Präsentationsrahmen für das innovative Elektroboot The Icon auf Foils. Da traf es sich gut, dass BMW auch gleich die standesgemässen Shuttlelimousinen für das Festival lieferte – allesamt elektrisch natürlich. Auch die Wave-Delegation ist im neuen BMW i/7 unterwegs, wir fahren jedoch am Festivalpalais vorbei und biegen zum Hafen ab. Es geht bis ans Ende der Jetée Albert Edouard mit ihren Superyachten, die plötzlich alle ganz alt aussehen, wenn man The Icon erblickt.
Ein keilförmiger, flacher Rumpf mit einem Aufbau aus prismatischen Glasscheiben. Der Einstieg geschieht über die 4,5 Meter breite Heckplattform, vorbei an der charakteristischen Strebe, die sich wie ein Rückgrat über die gesamte Bootslänge bis zum Bug erstreckt. Was für ein aussergewöhnlich grosszügiges Anbord gehen in den luxuriösen Salon!
Das Staunen geht im Innern nahtlos weiter, vom ersten Anblick der futuristischen Steuerkonsole bis hin zum Ausblick. Die bodentiefen Glasseiten geben den Blick nicht aufs, sondern schon fast ins Wasser frei. Wer sich in die skulpturhaften und 360-Grad-drehbaren Sessel sinken lässt, bemerkt die Sicherheitsgurte und es wird klar, dass man sich an Bord eines ganz besonderen Wasserfahrzeugs befindet.
Idee, Konzept… Action!
Spulen wir kurz zurück. Bislang war die maritime Elektromobilität auf kleinere, langsamere Boote mit vergleichsweise geringer Reichweite beschränkt. Das Segment der schnelleren, grösseren Boote mit höherer Reichweite wird derzeit noch zu 100 Prozent von Modellen mit Verbrennungsmotor dominiert. BMW wollte die Elektrifizierung nicht nur auf der Strasse, sondern auch auf dem Wasser sehen. Peter Dengler, selbst passionierter Segler, nahm sich der Sache an. Als Initiator und Project Lead von The Icon musste er den passenden Partner nicht weit suchen. Christoph Ballin, Gründer von Torqeedo, war nicht nur mit dem Markt und der Materie vertraut, dank der Zusammenarbeit mit den BMWi-Batterien sprach man auch die gleiche Sprache. So wurde TYDE zum Bootbauer sprich Realisator des filmreifen Foilers. Und das in Rekordzeit: 12 Monate Entwicklung, 8 Monate Realisationszeit. Zuerst als funkgesteuertes Modell im Masstab 1:7, dann als 1:1 Prototyp. In der Zwischenzeit hat The Icon mehr als 1 000 Seemeilen geloggt. Mit von der Partie Leute und Unternehmen, die ihr Handwerk verstehen. Designworks durfte kreativ aus dem Vollen schöpfen, Foiling- Magier Guillaume Verdier entwarf das Unterwasserschiff (der Mann kennt sich mit Imocas und AC-Foilern bestens aus) und die Brüder Japec und Jernej Jakopin von J&J Design stimmten das Ganze ab.
The Sound of Silence
Lautlos löst sich The Icon aus seiner schwimmenden Plattform-Box und gleitet aus dem Hafen – vorbei an Superyacht Vava 2 von Milliardär Ernesto Bertarelli. Schaut er gerade neidisch zu uns herüber? Bereits im archimedischen Modus verdrängt The Icon nur wenig Wasser, dank einem Rumpfdesign, das irgendwie an einen Mix aus AC-Foiler und einen Hauch von Trimaran erinnert. Der ausgeprägte Deep-V-Rumpf soll grosse Wellen von unten einfach abklatschen lassen. Draussen dann der heiss ersehnte Moment. Auf dem riesigen 32-Zoll-Monitor (mit 6k-Auflösung im Look & Feel des BMW iDrive Bediensystems) interessiert nur noch eine Zahl: die Geschwindigkeit. Mit den Fingerspitzen gebe ich immer mehr Gas, dann bei 16, 17 Knoten spürt man ein sanftes Abheben, bei 20 Knoten sind wir voll auf den Foils. Christoph Ballin zeigt auf ein Wasserglas auf dem Tisch – es bewegt sich nicht. Trotz Wellen.
Der Foiling- Moment wird akkustischdramaturgisch intensiviert. Kein Geringerer als der zweifache Oscar-Preisträger für Filmmusik Hans Zimmer hat diese intuitiven und funktionalen Klänge komponiert, Antriebssound inklusive. Das Sounddesign des Hollywood-Klangkünstlers kommt über das Dolby-Atmos-System und geht unter die Haut. Auch das Landen, sprich Eintauchen, läuft ähnlich ab: Hans Zimmer ertönt, wir sinken sanft aufs Wasser zurück.
Foilen und Gutes tun
Am Steuer fühlt man sich wie in der Hauptrolle eines James Bond oder Star Wars Films. Oder für Jüngere: wie in einem Videogame. Wir fliegen sanft übers Wasser, in der Kurve neigt sich The Icon leicht zur Seite, alles sehr angenehm und sicher. Seekrank wird hier wohl niemand. Die Kollegen auf dem mitfahrenden RIB werden bei diesem Speed schon tüchtig durchgeschüttelt.
Man vergisst die enorme Rechenleistung, welche hinter dieser Foiling-Leichtigkeit steckt. Wenn ich am Rad drehe oder die Geschwindigkeit verändere, wird das alles über die Software übersetzt und durchgerechnet – Jetpiloten kennen das. Kein Wunder besitzt Softwarepartner Oceanflight Technologies viel Know-how aus dem Drohnenfliegen und anstatt Steuern spricht man lieber von Flight Control.
Das System kontrolliert, analysiert und reagiert blitzschnell. Mehrere Sensoren zur Erkennung von Flug- und Wellenhöhe sind ebenso integriert wie RTK-GPS und eine Trägheitsmesseinheit mit ultraschnellen, eng gekoppelten Sensoren für präzise Lage-, Kurs- und Positionsmessungen. Kurz- und Mittelstreckensensoren sorgen für Hindernisvermeidung, über und unter Wasser.
Die rund 11 Tonnen Bootsgewicht ruhen jetzt auf dem vorderen T-Foil und dem achterlichen Tandem-Foil mit den beiden Forward Duoprops. Zwei 100kW Deep Blue Motoren von Torqeedo liefern die Power fürs Fliegen. Die Wellen des Begleit-Rips schneiden wir wie Butter, die 1.87 Meter langen Foils arbeiten ca. 1 Meter im Wasser, ein Grund für die Stabilität. The Icon hebt sich nur soweit wie nötig aus dem Wasser – bis nämlich die energieffiziente Gleitphase erreicht ist. Auf den Hydrofoils wird 80% weniger Energie fürs Weiterkommen (fast) ohne Wasserwiderstand benötigt.Was das für den heutigen Tag bedeutet, kann man abends auf dem Monitor ablesen: The Icon war bei 6 Testfahrten insgesamt 3 Stunden auf dem Wasser und hat dabei 60 Meilen zurückgelegt. Die Batterien melden noch 19% Ladung, 10 Meilen könnten wir laut System noch weiterfahren. 395 Liter Diesel gespart und damit 1040 kg CO2 vermieden. So luxuriös rettet man das Klima…
Angelegt wird mittels Joystick, ein Bug- und ein Heckstrahlruder erleichtern den Job. Unsere Begeisterung wird durch die Price Tag auf den Boden zurückgebracht. Etwas über 2 Millionen muss man für The Icon bei Tyde investieren. Natürlich werden die Nachfolgemodelle grösser sein (mit der gleichen Konfiguration kann man auch längere Icons genauso energieffizient bewegen) und erst noch günstiger. Im Vorführmodell steckt eben noch extrem viel Handarbeit drin. Auf der Werft in Portugal ist bereits ein 4 Fuss grösseres Modell in Arbeit, das individuell mit Kabine, Salon usw. realisiert werden kann. Wunschzielgruppe? Luxuriöse Hotels und Resorts, die ihre Gäste standesgemäss befördern möchten. Oder grosse Städte mit vielen Wasserstrassen, die ein Interesse an nachhaltigen Wassertaxis haben. Oder finanzkräftige Privatiers, die grüner unterwegs sein möchten. Und trotzdem cool aussehen wollen.