Wollen Sie sich eine Yacht kaufen? Setzen sie unbedingt auf Qualität. Es muss ja nicht immer eine neue sein. Wie wäre es mit einer alten Yacht? Auch hier gibt es Preziosen, die es zu retten lohnt. Die Sparkman & Stephens Swan «Pride» ist ein schönes Beispiel dafür.
Es sind die schönen Zufälle (gibt es Zufälle?) des Lebens, die Geschichten so spannend machen. Und oft ist es erstaunlich, aus was für Kleinigkeiten später Grosses entsteht. So auch die Voiles de Saint-Tropez. Das heute so grossartige Segelspektakel fing vor 42 Jahren ganz bescheiden mit zwei Teilnehmern an, «Ikra» und «Pride». Die 12er SI Rennyacht «Ikra» mit Baujahr 1964 war der damalige Lokalmatador. Baron Bich hatte den Racer für die Trainings zum America’s Cup eingesetzt.
Die US-Yacht «Pride» kam nach dem Swan Cup in Porto Cervo auf der Durchreise in Saint-Tropez vorbei. Die Tochter des Vertreters der Sportmer-Werft war mit einem Amerikaner verheiratet und hatte den Swan-Eigner Dick Jayson in Florida kennengelernt. Und ihm vorgeschlagen, bei Gelegenheit mal in St. Trop vorbeizuschauen. Gesagt, getan. Die Amerikaner als gesellige Yachties knüpften mühelos Kontakt mit den lokalen Seglern und luden die Tropéziens auf ihre Yacht ein. Diese revanchierten sich mit einer (oder waren es zwei?) Runden in den Hafenbars des Vieux Ports. Und eines Abends, als man gut geölt das Lokal verliess, lief gerade die Zwöferyacht «Ikra» ein. Und irgendjemand stellte die schicksalsschwere Frage: Dick, könntest du die schlagen? Why not, antwortete Dick.
Auf zum Duell
Da gibt es nur einen Weg, das herauszufinden, ein Match Race musste Gewissheit schaffen. Auf einer Touringkarte wird der Kurs aufgemalt: Start beim Portalet vor dem Hafen, dann die Untiefe La Nioulargue umrunden und auf die Ziellinie vor der Plage de Pampelonne steuern.
Als Wendeboje dient eine Riva – die sich nach der Passage von «Ikra» aus Mitgefühl zu Gunsten der langsameren «Pride» verschiebt. Aber es hilft nichts, «Ikra», mit Eigner Jean Lorrain am Ruder, gewinnt das Duell. Der Deal: Der Verlierer bezahlt das Abendessen im Club 55. Dessen Besitzer Patrice de Colmont organisiert als Pokal rasch eine Kompottschale aus dem Geschirr der französischen Marine. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, als der Korrespondent der Zeitung Var Matin auftaucht und fragt, wer diese Leute sind, die so viel Spass zu haben scheinen. Patrice erklärt ihm, dass es sich um eine Regatta handelt. “Ah, welche Regatta?” Colmonts Antwort: “Euh... der Club 55 Cup!” Die beiden Crews legen noch einen drauf und erklären: “Es war sehr hart… eine Herausforderung auf hohem Niveau… wir werden nächstes Jahr unsere Revanche bekommen…” und so weiter. Der Journalist wittert einen Scoop. Am nächsten Tag titelt die Schlagzeile im Var Matin: “Ein neuer America’s Cup ist geboren!”
Die Tropéziens hatten den Anlass fast vergessen und waren umso erstaunter, als ihr neuer amerikanischer Freund im darauffolgenden September 1982 wieder auftauchte und auf die Revanche bestand. Andere Yachten schlossen sich der Herausforderung spontan an. Also organisierte die Truppe um Patrice de Colmont eine zweite Regatta, mit einigen ungleichen Booten, darunter unter anderem der One-Tonner «Fantomas», das belgische Boot «Queen of Sheeba», die Maxiyacht «Helisara» von Stardirigent Herbert von Karajan und «Bourru III», ein alter Kutter als einziges klassisches Boot dieser zweiten Auflage. Bei der Preisverleihung gab es wieder die fröhliche Mischung aus feiernden Crews und dem Bürgermeister, der die Stadtmedaille verlieh, und den Belgiern, die ihr Gewicht in Kartoffeln gewannen.
Play it again
Nach mehr als 20 Jahren kehrte «Pride» dieses Jahr nach Saint-Tropez zurück, um in der Gruppe Modern IRC C zu segeln. Dick Jason segelte Pride noch bis 1995, konzentrierte sich dann aber auf Regatten in den USA. 2001, zur 20-Jahr-Feier der Nioulargue, machte sein Sohn Bill «Pride» noch einmal flott und segelte die Regatten mit einem Teil der legendären 81er Crew. Dann dämmerte die Swan lange Jahre an Land vor sich hin, bis sich zwei Italiener in sie verliebten. Mit einem emotionalen Brief konnten sie Eigner Jason erweichen, sich 2006 von seiner Yacht zu trennen. Die neuen Besitzer steckten zwei Jahre in ein Refitting und genossen ihre Törns im Mittelmeer. Zur 30-Jahr-Feier lud man 2011 «Pride» wieder nach Saint-Tropez ein (on respecte les traditions), doch heftiger Mistral verzögerte die Überführung aus Griechenland und das Fest fand ohne die US-Swan statt. In Saint-Tropez wartet Gillian Graves vergeblich auf die Yacht ihres Grossvaters. Im Partytrubel erfuhr sie, dass «Pride» zum Verkauf stand. Mit ihrem Ehemann Will, einem Absolventen der Naval Academy und AC-Crewmember von Dennis Connors Team «Stars & Stripes», werden sie von den Italienern nach Caorle eingeladen. Es ist der 10. Hochzeitstag der Graves und sie verbringen einige Tage an Bord, geniessen das mediterrane Essen und reichlich Wein und knüpfen neue Freundschaften, während sie vor Traumstränden ankerten. Es war eine intensive Erfahrung, nach so vielen Jahren wieder auf dem Boot ihres Grossvaters zu segeln. Ihr Entschluss steht fest: sie wollen die Familienyacht zurückzukaufen.
Schöner wie neu
Will Graves kümmert sich um die grundlegende Restauration der Yacht. Und er will nur das Beste. Das Yachtsstudio Cossutti & Ganz legt als Referenz das Refitting eines ähnlich anspruchvollen Projekts vor. ORC-Magier Cossutti hat die S&S 38er Swan Mascalzone Latino von AC-Syndikatschef Vincenzo Onorato wieder zu neuem Leben erwachen lassen. Und so wird Pride unter die Lupe genommen, gescannt und optimiert. Neben der Regattatauglichkeit sollte das Boot einfacher zu handhaben sein, um auch als Cruisingyacht zu dienen. Denn Gillian und Will wollten mit ihren drei kleinen Kindern im Mittelmeer segeln und sie dann im Herbst an der Voiles-Regatta teilnehmen lassen. Das Skeg-Ruder (welches bereits eine Modifikation des Originalplans war, um mit dem achterlichen Verlegen das IOR-Rating Ende der 70er Jahre zu optimieren) wich einem modernen freistehenden Ruderblatt, der Alumast wurde durch einen 2.5 Meter höheren Carbonmast ersetzt. Das Rigg ist jetzt fraktional, mit einem kurzen Bugspriet kann jetzt ein grosser Spinnaker am Mastkopf gefahren werden. Das Deckslayout wurde komplett umgestaltet und vom Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Los Angelès in der Klasse 470er Steve Benjamin begleitet, der auch für das Design und die Konstruktion der Segel in der North Sails-Werft in Miami verantwortlich ist.
Das grosse Duell fand am Tag der Herausforderung statt. Die glänzend schwarze «Pride», wieder mit USA in goldenen Lettern am Heck, zog am Quai schon alle Blicke auf sich. Neben ihr lag «Ikra»,
elegant wie immer. Und Länge läuft, 70 Fuss gegen 44, auch 2023 hatte Pride keine Chance gegen die längere Ikra-Lady. Da konnte selbst der Segelcrack Steve Benjamin an Bord von «Pride» nichts ändern.
Was auch nicht geändert hat: das sportliche Fairplay und die ausgelassene Stimmung beim Feiern. Cheers!