Mit der Sonne über das Meer

19/07/2022 - 12:40 in Motor by Torqeedo

Seit dieser Saison verbindet eine elektrische Solarfähre das Festland mit dem Urlaubsparadies Usedom in der Ostsee. Elektromobilität auf dem Wasser stärkt den Ökotourismus – und damit eine ganze Region.
 

Wenn die Antonia vom Kamp im Hafen andockt, spürt und hört man an der Mole fast kaum etwas. Das 14,65-Meter-Stahlboot ist eine der ersten elektrisch betriebenen Passagierfähren an der deutschen Ostseeküste. Mehrmals täglich bringt sie bis zu 20 Personen und 15 Fahrräder vom Festland auf die Insel Usedom – lautlos und ohne lokale Emissionen. Auf dem Dach funkeln Solarzellen und unter der Haube befindet sich ein 60 kW elektrischer Deep Blue Azimut- Ruderpropeller von Torqeedo, der 360 Grad gedreht werden kann. Das System wird durch zwei Deep Blue Batterien mit einer Gesamtkapazität von 80 kWh und einer 4,3-kWp-Solaranlage komplettiert. Die Werft Ostseestaal/Ampereship schätzt, dass durch den solarelektrischen Antrieb jedes Jahr 20 Tonnen CO2 gespart werden.

„Moin Männer!“, begrüßt uns Kapitän Sergejus Kostin, als er das Bootstor öffnet. Kostin, 25, ist groß gewachsen, bestimmte Stimme, fester Händedruck. Man merkt ihm an, dass er in seinem kurzen Berufsleben bereits Hochseeschiffe über Ost- und Nordsee gesteuerthat und bei Wind und Wetter Lotsen an Bord von Containerriesen brachte.

Es ist eine der ersten Fahrten der Elektrofähre in ihrer ersten Feriensaison. Noch ist alles ruhig. Drei Männer aus Hamburg in Fahrrad-Klamotten steigen ebenfalls zu. Seit einer Woche seien sie auf dem berühmten Berlin –Usedom-Radweg unterwegs,erzählen sie, und dass sie sich dank der neuen Fähre 30 Kilometer Umweg sparen. Solarenergie passe außerdem gut zu ihrem umweltfreundlichen Rad-Urlaub. Sie genießen die herrliche Überfahrt, vorbei am Naturschutzgebiet Anklamer Stadtbruch und der monumentalen, denkmalgeschützten Hubbrücke Karnin.

Entschleunigung und Nachhaltigkeit passen gut zum Tourismuskonzept der Insel. Oder wie Kapitän Kostin sagt: „Stress macht man sich selbst.“

 

Die Elektrofähre ist sofort startklar
Die Brücke der Fähre sieht mit den vielen Bildschirmen und Joysticks aus wie ein Hightech-Schiff. Kapitän Kostin steuert das Boot per Joystick. Wie verändert der Elektroantrieb die Arbeitsläufe an Bord? „Alles ist sehr viel einfacher. Man ist sehr viel schneller seeklar“, sagt Kostin, als er sich im Führerstand einrichtet. Einen Dieselmotor müsse man erst mal warmlaufen, meint er und spricht dabei wie von einem störrischen Esel, dem man erst gut zureden muss. „Beim Elektromotor hingegen merkt man nicht einmal, dass der Motor startklar ist. So leise ist er“, sagt Kostin. Kein Vibrieren, kein Gestank, kein Gedröhne, das man bei Fähren als selbstverständlichen Ausdruck von Pferdestärken akzeptiert hat. „Aber dann gibst du Schub und merkst, dass die Kraft wirklich da ist.“ Die Antonia vom Kamp fährt mit 8 km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h.

Und wie: Der Elektroantrieb hat eine vergleichbare Vortriebsleistung wie ein konventioneller 80-PS- Motor, der viel Treibstoff auf jedem Kilometer schluckt. Das futuristische Fahrzeug bewegt sich schnell vom Ufer weg und gleitet durch das glitzernde, gekräuselte Wasser in Richtung Usedom. Die Strecke von Kamp nach Karnin ist kürzer als ein Kilometer, und doch macht man eine kleine Zeitreise, von einem Hightech-Zeitalter ins nächste. Auf dem Weg liegt eine der größten Sehenswürdigkeit der Region: die Überreste der Hubbrücke Karnin. Ein monumentaler Turm von 35 Meter Höhe, der einst ein Stück der Eisenbahnbrücke hochheben konnte, umSchiffe passieren zu lassen. Ganze Bücher wurden schon über dieses „technische Meisterwerk bei Usedom“ geschrieben.

Nun wird hier also ein neuer Meilenstein im Personenverkehr gesetzt: eine klimaneutrale Fähre, die sich größtenteils selbst mit Strom versorgt. „Aufgrund der kurzen Fahrten können wir unseren Energiebedarf fast vollständig durch die Photovoltaikanlage decken“, sagt Kay Peters, Geschäftsführer der gleichnamigen Reederei Oderhaff Reederei Peters GmbH & Co. KG. Voraussetzung sei natürlich,dass die Sonne scheint. Aber, so Peters: „Die sonnenreichste Gegend mit den meisten Sonnentagen in Deutschland ist bekanntlich auf der Insel Usedom!“

 

Energiebedarf von kleinen Elektrogeräten

So wie Kostin der geborene Kapitän ist, so ist Peters der geborene Reeder. Er ist, das merkt man schnell, fasziniert von Maschinen. Ob es der alte Oldtimer-Traktor am Kamper Ufer ist oder sein neues, hochmodernes Boot. Als Reeder muss er jeden Meter Fahrt sowohl energietechnisch als auch finanziell durchrechnen. Das macht Peters mit Freude. „Wir brauchen pro Tag ungefähr

12.000 Watt. An einem sonnigen Tag werden wir etwa 7.000 Watt selber produzieren. Den Rest müssen wir über Nacht nachladen“, rechnet er vor und ergänzt: „Das entspricht ungefähr fünf Fönen, die man eine Stunde laufen lässt.“

Der Elektromotor hat für Peters noch weitere Vorteile. Ein Dieselmotor würde auch an der Landestelle weiterlaufen. Für den Reeder istdas alles verlorene Energie und damit auch verlorenes Geld. „Elektromotoren hingegen brauchen immer nur dann Energie, wenn sich das Boot bewegt“, so Peters. Der ständige Leerlauf und die konstant hohe Drehzahl nutzen den konventionellen Motor außerdem schneller ab. „Hier hingegen haben wir kein Getriebe, keine Verluste, gar nichts. Die laufenden Kosten hinsichtlich der Wartung, derÖlwechsel, der Ersatzteile sind wesentlich geringer.“ 

Begibt man sich unter Deck des Bootes, merkt man sofort, was er meint: Viel zu sehen gibt es nicht im stählernen Bauch der Antonia vom Kamp. Neben den zwei Dee Blue Hochvolt-Batterien von Torqeedo, die den Motor versorgen, sind die größten Objekte unterDeck ein paar Getränkekisten. Die Steuerung des Motors nimmt kaum Platz ein.

Tagsüber fahren, nachts laden – Personenfähren mit klar festgelegten Routen eignen sich besonders gut für Elektroantriebe, weil man Energieanforderungen und Reichweite kennt. „Die Reederei wünschte sich, abends auch noch Ausflugsfahrten zu unternehmen, also ein bisschen mehr Fahrzeit als nur den üblichen Pendelverkehr“, erzählt Axel Büchling, Sales Manager bei Torqeedo.Entsprechend wurde die Batteriekapazität für die Fähre erhöht. Für jedes Projekt finden die Torqeedo-Ingenieure eine maßgeschneiderte und gleichzeitig robuste Lösung. Damit immer genug Energie zur Verfügung steht.

 

Eine wirklich grüne Insel
Die Fähre verkehrt in einer besonderen Region. Umgeben ist die Ostsee-Lagune Stettiner Haff von den sanften Hügeln der Insel Usedom und den Naturschutzgebieten am Festland. In der Ferne ist der Lotsenturm Karnin, ein siebzig Jahre alter Turm, von dem auseinst die Schiffe navigiert wurden und der heute eine auf zwei Jahre hinaus ausgebuchte Design-Ferienwohnung ist. Ferienhäuser, Cafés und die Natur locken hier jedes Jahr vor allem unzählige Rad-Touristen an. An so einem Ort ist eine Fähre mehr als nur Verkehrsmittel. Und sie fehlte lange Zeit.

Der „Dorfälteste“ kommt auf dem Rasenmäher zum Interview angefahren. Sein Name: Siegfried Henck. Besser bekannt als Sigi. Manchmal auch als die „gute Seele“ des Orts. Oder eben: der Dorfälteste. Wir sind zurück in Kamp, dem Dorf am Festland mit 17Seelen und 60 Booten im Hafen. Doch Sigi mäht nicht nur den Rasen um den Hafen. Er sitzt auch dem „Hafenverein“ vor, der den Hafen betreibt und nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wieder in Schuss gebracht hat. Und ohne den es die neue Fähre wohl nicht geben würde.

„Alles, was man hier so sehen kann, ist durch unserer Hände Arbeit entstanden“, sagt Sigi mit Blick über das Hafenareal. „Das Unkraut wuchs hier früher zwei Meter hoch“, erzählt Sigi, der im Dorf aufgewachsen ist und bis zur Rente Flugzeugmechaniker in Anklam war.Den Kran, mit dem sie die Boote ins Wasser lassen, schafften sie vom hunderte Kilometer entfernten Nürnberger Hauptbahnhof heran. Ein Vereinshaus voller Modellboote und Fischernetze vervollständigt die Hafenanlage.

 

Neue Verbindungen ohne Lärm und Abgase
Nur ist den Leuten in den letzten zwei Jahren das Lachen zuweilen vergangen. Lange verkehrte zwischen Kamp und Usedom eine alte Dieselfähre, die irgendwann ihre Betriebszulassung verlor.

„Die Leute kamen immer noch auf den Fahrrädern an und wollten auf die Fähre. Aber dann merkten sie: Die Fähre ist weg. Touristisch war das eine Katastrophe, richtig hart.“

Aber sie sitzen hier abends oft zusammen, die 17 Dorfbewohner. Und so beschloss der Verein, eine neue Fähre zu organisieren. Die Oderhaff Reederei und Kay Peters boten sich schließlich an, Planung, Bau und Betrieb zu übernehmen. Möglich wurde sie auch durch eine Förderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. „In vielen Häfen, speziell in strukturschwachen Gebieten, fehlt oft noch die Infrastruktur, sprich Ladestationen, um elektrische Boote aufzuladen“, sagt Matthias Schubert, Director Commercial Sales bei Torqeedo. „Aber der politische Wille ist da, die Elektromobilität zu stärken.“

Diesen Willen spürte man auch in Kamp und Karnin, wo extra eine neue Ladestation gebaut wurde und ein spezieller Anleger, an dem die Fähre mithilfe eines starken Magneten selbstständig andockt. „Das wäre ja auch nur Quatsch gewesen, wieder irgendwas mitDiesel“, sagt Sigi. „Für uns ist das eine schöne Sache, wenn so was Modernes gebaut wird. Kein Krach, kein Gestank. Das zieht Leute an und zeigt ihnen, dass hier in Zukunft etwas Neues entsteht.“


Über Torqeedo
 
Torqeedo ist der Marktführer für elektrische Mobilität auf dem Wasser. Das Unternehmen wurde 2005 in Starnberg gegründet und entwickelt und fertigt elektrische und hybride Antriebe zwischen 0,5 und 100 kW für kommerzielle Zwecke und den Freizeitgebrauch. Die Produkte von Torqeedo zeichnen sich durch ihren kompromisslosen Fokus auf Hightech aus, sowie durch maximale Effizienz und ihr voll integriertes System. Torqeedo ist Teil der DEUTZ-Gruppe,einem der weltweit führenden Hersteller von innovativen Antriebssystemen.

www.torqeedo.com

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