Von Nachhaltigkeit bis zu neuen Eignern: Das Cannes Yachting Festival aus der Sicht von Sylvie Ernoult

18/07/2025 - 07:10 in Service by Press Mare

Als eines der meist erwarteten Events im internationalen Yachting-Kalender nimmt das Cannes Yachting Festival eine besondere Stellung ein: Es ist zugleich die Eröffnungsschau der Saison und ein Spiegelbild der aktuellen Entwicklungen in der Branche. In diesem exklusiven Interview mit PressMare gibt Sylvie Ernoult, seit 2008 Direktorin der Messe, Einblicke in ihr letztes Jahr an der Spitze des Events.

Sylvie Ernoult

Zwischen einer sich wandelnden Identität, wachsender Bedeutung der Nachhaltigkeit, verändertem Käuferprofil und strategischer Vision zeigt sich, wie Cannes sich unter den führenden internationalen Bootsmessen positioniert hat.

PressMare – Das Cannes Yachting Festival ist eine Institution in der Welt des Yachtings. Wie würden Sie die heutige Identität der Messe beschreiben? Was unterscheidet sie von anderen internationalen Veranstaltungen?
Sylvie Ernoult – Wir haben eine einzigartige Identität, die auf Eleganz und Inklusivität beruht. Unsere Kommunikation ist dezent, aber die Qualität der Veranstaltung ist herausragend. Was uns unterscheidet, ist der Standort: Cannes ist glamourös, offen und einladend. Als erste Messe der Saison profitieren wir von hoher Sichtbarkeit und einem Impuls für die Branche. Wie eine Modenschau setzen wir den Ton für die kommende Saison. Die Werften nutzen Cannes, um ihre neuesten Modelle und Technologien zu präsentieren, was sowohl Medien als auch viele Besucher anzieht. Unser Konzept mit zwei Häfen – Vieux Port und Port Canto – bereichert das Erlebnis zusätzlich, mit Probefahrten und Bootstransfers zwischen den Locations.

PM – Wie entsteht das Layout der Messe? Gibt es ein Auswahlverfahren für Aussteller?
SE – Das Layout ist eine direkte Reaktion auf den Markt. Ich analysiere die Branche genau und gestalte die Messe entsprechend aktuellen Trends und Kundenbedürfnissen. Die „Großen“ der Branche sind wichtig, aber ich sehe es auch als meine Aufgabe, neuen Akteuren, innovativen Startups und neuen Technologien Raum zu geben. Es geht um Ausgewogenheit. Zum Beispiel hat die Nachfrage nach Powercats deutlich zugenommen, aber deren Größe erfordert eine sorgfältige Flächenplanung. Das kann bedeuten, dass ein Aussteller nur ein Boot statt zwei zeigen kann. Ziel ist es, Fairness zu gewährleisten und das gesamte Branchenspektrum abzubilden.

PM – Wie hat sich das Cannes Yachting Festival in den letzten Jahren strategisch und logistisch entwickelt?
SE – Strategisch sind wir von einer transaktionsbasierten Veranstaltung zu einer Plattform für Erlebnis und Lifestyle geworden. Der Markt entwickelt sich rasant, und Kunden erwarten Innovation, Nachhaltigkeit und Individualisierung. Wir passen die Messe diesen Anforderungen an. Logistisch mussten wir uns an die laufenden Infrastrukturarbeiten der Stadt anpassen, was Herausforderungen mit sich bringt. Doch dank enger Zusammenarbeit mit der Stadt und unseren Logistikpartnern konnten wir die Auswirkungen auf Besucher und Aussteller minimieren. Die Eleganz des Erlebnisses bleibt erhalten – das ist für uns entscheidend.

PM – Was waren die größten Herausforderungen bei den letzten Ausgaben?
SE – Die Bauarbeiten in Cannes haben unsere Logistik definitiv erschwert. Aber trotz dieser Schwierigkeiten konnten wir die hohe Qualität der Messe aufrechterhalten. Das verdanken wir proaktiver Planung und einem hervorragenden Team – von Logistikdienstleistern bis zu den Hafenbehörden. Eine weitere Herausforderung ist die hohe Nachfrage: Wir haben mehr Ausstelleranfragen als verfügbare Fläche, besonders in wachstumsstarken Segmenten. Diese Nachfrage zu managen und dabei Ausgewogenheit und Vielfalt zu erhalten, ist eine der größten operativen Herausforderungen.

PM – Welches Publikum zieht das Cannes Yachting Festival heute an? Haben Sie eine stärkere Diversifizierung festgestellt?
SE – Absolut. Auch wenn wir weiterhin eine Publikumsveranstaltung sind, sehen wir eine deutliche Veränderung. Jüngere Besucher und Ersterwerber sind viel präsenter als früher. Oft haben sie wenig nautische Erfahrung, sind aber sehr interessiert. Sie suchen intelligente, zugängliche Yachten und erwarten, dass Technik das Erlebnis an Bord vereinfacht.

PM – Verfolgen Sie spezielle Strategien, um neue Eigner, insbesondere aus aufstrebenden Märkten, anzusprechen?
SE – Ja, aber nicht auf traditionelle Weise. Wir verlassen uns stark auf unsere Aussteller, die direkt hochkarätige Kunden einladen. Unsere digitalen Marketingkampagnen unterstützen das, indem sie gezielt anspruchsvolle Zielgruppen ansprechen. Gleichzeitig achten wir darauf, dass das ausgestellte Produktspektrum breit genug ist, um auch jüngere oder unerfahrene Käufer anzusprechen. Unser Ziel ist es, alle willkommen zu heißen – vom Träumer bis zum Entscheider.

PM – Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für das Cannes Yachting Festival?
SE – Sie ist von zentraler Bedeutung, weil sie einen realen Marktrend widerspiegelt. Die Kunden sind informiert und sensibel gegenüber Umweltfragen. Deshalb haben wir die „Innovation Route“ ins Leben gerufen, die Aussteller hervorhebt, die auf nachhaltige Antriebe, ökologische Materialien oder intelligente Bordtechnologien setzen. Zusätzlich haben wir ein Auszeichnungssystem eingeführt, um nachhaltige Innovationen zu würdigen.

PM – Haben Sie eine signifikante Zunahme von elektrischen, hybriden oder wasserstoffbetriebenen Booten festgestellt?
SE – Ja, ganz klar. In den letzten 18 Monaten hat sich in diesem Bereich viel getan. Immer mehr Werften stellen elektrische und hybride Modelle vor, die inzwischen fester Bestandteil der Innovation Route sind. Es ist ein stark wachsendes Segment.

PM – Welche Maßnahmen setzen Sie ein, um „grüne“ Werften und Hersteller sichtbar zu machen?
SE – Die Innovation Route ist ein starkes Sichtbarkeitstool. Qualifizierte Aussteller dürfen ein spezielles Logo führen und profitieren von der Berichterstattung unserer Medienpartner. Das Preisprogramm verstärkt die Anerkennung zusätzlich. Es hilft Besuchern, ernsthafte Akteure zu erkennen, und motiviert Werften, Nachhaltigkeit in ihre F&E-Strategien zu integrieren.

PM – Abgesehen von Nachhaltigkeit: Welche Trends beobachten Sie im Luxus-Yachting basierend auf Rückmeldungen der Aussteller und Besucher?
SE – Drei Trends sind besonders auffällig: der Aufstieg intelligenter Bordtechnologien, die wachsende Nachfrage nach Individualisierung, und natürlich Nachhaltigkeit. Käufer wünschen sich intuitive Systeme – z. B. Joystick-Docking – sowie maßgeschneiderte Lösungen. Und Nachhaltigkeit ist kein Zusatz mehr, sondern muss glaubwürdig sein, denn Greenwashing wird schnell durchschaut.

PM – Welche Rolle spielen Fachmedien und soziale Netzwerke beim öffentlichen Image der Messe?
SE – Eine zentrale Rolle. Als erste Messe der Saison haben wir einen klaren Medienvorteil – die Presse will dort sein, wo es Neuigkeiten gibt. Das zieht Aussteller an, was wiederum noch mehr Medien anzieht. Ein echter positiver Kreislauf. Über Social Media erreichen wir insbesondere junge und internationale Zielgruppen. Unsere Medienstrategie ist eine der Säulen unseres Erfolgs – und wir werden diesen Bereich weiter ausbauen.

PM – Was sind die wichtigsten Neuerungen für die kommende Ausgabe des Cannes Yachting Festival?
SE – Es wird meine letzte Ausgabe vor dem Ruhestand sein, und wir möchten, dass sie alles verkörpert, wofür das Cannes Yachting Festival steht: Führungsrolle in Innovation, Eleganz und Feier des nautischen Lebensstils. Wir werden den Fokus auf Nachhaltigkeit verstärken, die Innovation Route erweitern und logistische Verbesserungen einführen, um Komfort und Effizienz zu erhöhen. Unser Ziel bleibt, die Branche voranzutreiben und gleichzeitig den Zauber von Cannes zu bewahren.

Rebecca Gabbi

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