Net Zero Framework verschoben: Die Superyacht-Industrie bezieht Stellung

24/11/2025 - 16:55 in Service by Press Mare

Dekarbonisierung der Superyachten: Die Einführung des IMO Net Zero Framework verzögert sich erneut – die Branche bezieht Stellung

Während des Superyacht Forum in Amsterdam am 18. November fand ein hochrangiges Panel zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen im Superyachtsektor statt, mit dem Titel „IMO’s Net Zero Framework adoption pushed back another year – How to shape GHG policy“. Die Diskussion machte deutlich, dass die Einführung des Net Zero Framework der IMO, ursprünglich geplant, erneut um ein Jahr verschoben wurde – ein Umstand, der sowohl dem privaten als auch dem kommerziellen Bereich den notwendigen regulatorischen Impuls für die Dekarbonisierung vorenthält.

Die Verschiebung, die am 17. Oktober nach einem direkten Eingreifen des damaligen Präsidenten Trump bekannt wurde, wirft Fragen darüber auf, was schiefgelaufen ist, welche Lehren daraus zu ziehen sind und wie sich die Superyachtindustrie proaktiv auf ein weiterhin unsicheres regulatorisches Umfeld vorbereiten kann.

Moderiert wurde das Panel von Lorenzo Pollicardo, Technical and Environmental Director bei SYBAss, begleitet von Branchenexperten wie Julian Amith (Cayman Island Shipping Registry), Simone Brucker (Sanlorenzo R&D), Engel Jan De Boer (Lloyd’s Register) und Robert Van Tol (Water Revolution Foundation).

Ocean Assist: ein neues Instrument für die Branche

Im Zentrum der Diskussion stand das Programm Ocean Assist, eine Initiative der Water Revolution Foundation mit dem Ziel, freiwillige Maßnahmen in zertifizierte und messbare Investitionen zum Schutz der Ozeane zu überführen.
Vienna Eleuteri, Vice President der Stiftung, betonte, dass Ocean Assist es ermöglicht, Spenden und Kompensationen in verifizierbare Einheiten umzuwandeln, die aus konkreten Projekten zur Wiederherstellung von Blue Carbon, zur Erholung der marinen Biodiversität und zur Revitalisierung von Küstengemeinden entstehen.
Die Transparenz wird durch eine unabhängige Prüfung gemäß ISO 14064 Teil 3 gewährleistet, wodurch Greenwashing vermieden und greifbare Ergebnisse sichergestellt werden.

Georgina Van Henniet, Head of Sustainability bei Burgess, hob den praktischen Nutzen des Programms für den täglichen Betrieb der Flotte hervor: Es reduziere nicht nur die Umweltauswirkungen, sondern bereite auch Crew und Betreiber auf zukünftige regulatorische Anforderungen vor, indem Emissionsminderungen in konkrete, zertifizierte Maßnahmen überführt werden.

Herausforderungen und Chancen: von der Regulierung zu den täglichen Abläufen

Eines der zentralen Themen war das Zusammenspiel zwischen internationaler Regulierung und freiwilligen Brancheninitiativen.
Fiorenzo Spadoni (RINA) erläuterte, wie die ISO-Zertifizierung dem Programm Glaubwürdigkeit und methodische Strenge verleiht und solide Initiativen klar vom reinen Marketing unterscheidet.

Das Panel diskutierte auch technologische und operative Grenzen, etwa die Nutzung alternativer Kraftstoffe (z. B. Methanol) bei verschiedenen Schiffsbauarten sowie den Bedarf an spezifischer Crew-Schulung. Es wurde betont, dass Innovationen sicher integriert werden müssen und entsprechende Infrastruktur benötigen.

Georgina Van Henniet wies darauf hin, dass die praktische Umsetzung noch am Anfang steht: Die weltweite Flotte umfasst rund 6.000 Yachten über 30 Meter, mit etwa 170 Neubauten pro Jahr. Das Emissionsmanagement erfordert einen schrittweisen, aber systemischen Ansatz, der es ermöglicht, mit messbaren Teilen der Flotte und der Betriebsprozesse zu beginnen und gleichzeitig auf zukünftige IMO-Regulierungen vorbereitet zu sein.

Robert Van Tol thematisierte den Vergleich zwischen steuerlichen Instrumenten und Kompensationsprogrammen wie Ocean Assist. Er zeigte auf, wie freiwillige Teilnahme heute dazu beitragen kann, Eigner und Betreiber auf strengere künftige Vorschriften vorzubereiten und gleichzeitig Kosten und Nutzen zu optimieren.

Aktueller Stand und Ausblick

Die Verschiebung des Net Zero Framework stellt für die Superyachtindustrie auch eine strategische Chance dar: Die bislang nicht regulierte Flotte kann nachhaltige Praktiken frühzeitig erproben und anpassen – und damit möglicherweise die zukünftigen IMO-Richtlinien für kleinere Schiffe und Yachten mitgestalten.

Die zentrale Botschaft des Forums ist eindeutig: sofortiges Handeln, Transparenz und eine enge Zusammenarbeit zwischen Betreibern, Stiftungen und Zertifizierungsstellen sind entscheidend, um einen nachhaltigen und zukunftsorientierten Sektor aufzubauen.

Trotz fehlender unmittelbarer Verpflichtungen hat die Branche einen klaren Weg vor sich: Instrumente wie Ocean Assist zu nutzen, regulatorische Anforderungen vorwegzunehmen und messbare positive Auswirkungen auf die Ozeane zu erzeugen – und so die Herausforderung der Dekarbonisierung in eine Chance für Führungsstärke und Innovation im Superyachtsektor zu verwandeln.

Filippo Ceragioli

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