HIGH FLY - Nautitech 46 Fly

HIGH FLY - Nautitech 46 Fly

HIGH FLY

Editorial

16/03/2020 - 12:57

Der Katamaran-Markt boomt und die beliebten Marken kommen fast nicht mehr nach mit der Produktion. Auch bei Nautitech läuft es rund, und die Umsätze können sich sehen lassen. Die Franzosen verfügen über eine gute Modellbasis, auf der sie ihre neuen Yachten aufbauen und ständig verbessern können. WAVE nahm in Cannes die neue Nautitech 46 Open unter die Lupe.

Kat-Spezialist Marc Lombard hat mit der Nautitech- Linie einen guten Wurf gelandet, der sich auf dem Meer und in der Verkaufsstatistik hundertfach bewährte. Die erfolgreichen 40-er wurden auf 46 Fuss vergrössert und sind als Open- und als Fly-Variante erhältlich. Mit neuem (alten) Namen und neuem Logo haben sich die französischen Bootsbauer Nautitech Catamarans frisch aufgestellt und treten wieder als eigenständiges Unternehmen auf, das jedoch immer noch mit den Kollegen aus Giebelstadt zusammenarbeitet. Mit der Rückbesinnung wurden auch die Modelle nochmals überarbeitet. Wir interessierten uns in Cannes aus Vergleichsgründen zuerst für die Open-Version, weil wir diese als kleineres Modell bereits ausführlich und intensiv während einer ganzen Woche auf Mallorca getestet hatten (siehe WAVE 23). Darum segelten  wir dieses Mal die 46 Fly nur auf einem Probeschlag durch die Bucht vor der Croisette in Cannes.

Eine grössere Yacht zu testen macht immer Spass, hier ist der erste Eindruck beim Betreten übers Heck zusätzlich noch mit den guten Erinnerungen an die kleinere Schwester geprägt. Jetzt gibt es noch mehr Platz, noch mehr Open-Lebensraum. Was geblieben ist, ist die Verbindung oder besser gesagt Verschmelzung von innen und aussen, wobei dem Cockpit fast mehr Platz als dem Salon eingeräumt wird. Und das ist gut so, das Leben auf dem Wasser soll ja möglichst draussen stattfinden.

Wie bei der kleineren Open-Version finden sich auch hier die Steuerstände in den Hecks. Die Sitze fallen jetzt etwas bequemer aus, auf der 40er waren sie etwas knapp bemessen, neu finden auch zwei Personen darauf Platz. Die weit achterliche Position der Steuerstände ist ideal zum Segeln, bei Hafenmanövern braucht es etwas Übung, die Distanzen in der Diagonale gut einzuschätzen. Dann ist der Arbeitsort auf der Flybridge der Richtige, wo man einen perfekten Rundumblick hat. Doch damit klettert auch der Grossbaum weiter den Mast hinauf und verringert die Segelfläche. Man kann eben nicht alles haben im Leben…

Bei der Fly-Version entfallen die beiden Steuerstände am Heck, somit steht noch mehr Freiraum für den Abstieg zu den Badehecks zur Verfügung. 

 

Formsache

Augenfällig ist die charakteristische Formgebung der Nautitech 46. Schon länger hat sich Marc Lombard mit seinen prägnanten Linien von den eher rundlichen Formen der Kat-Konkurrenz abgehoben. Mit markanten Knicks und Kanten macht dieser Kat eine sportlich-dynamisch gute Figur. Bei der Konstruktion erlauben diese Formen eine höhere Steifigkeit der Rümpfe und eine bessere Raumausnützung. Der Lombard-Trick: auf Höhe der Wasserlinie werden die Rümpfe sichtlich schmäler. Der benetzte Teil verringert sich dadurch beträchtlich, die Hydrodynamik kann gesteigert werden. Das erklärt auch, wieso die Nautitech-Kats trotz vergleichsweise kleiner Segelfläche trotzdem eine sehr gute Performance im Segelmodus haben. Bereits wenig Wind reicht fürs Fortwärtskommen, sehr schön auch das sensible Steuerfeeling selbst bei niedrigen Beaufortzahlen.

Das Salonlayout wurde gegenüber den Vorgängermodellen optimiert. Neu schaut man beim Arbeiten in der vergrösserten Pantry nach achtern, aber das ist sympathisch und ja gewollt, da man dadurch mit den Leuten im Cockpit in Kontakt bleibt und das Auf- und Abtischen sich auf kürzeste Wege beschränkt. Auch bei der Einrichtung wurde nicht gegeizt und nur hochwertige Küchengeräte eingebaut.

Die Navi-Ecke hat die Seite gewechselt und befindet sich jetzt an Steuerbord, optisch und praktisch schön gestaltet und sofamässig mit einer Kurve um den Mast in den Sitzteil integriert. Von hier aus kann man auch gleich einen prüfenden Blick aufs Gross werfen, dank den Lukenfenstern im Dachteil. 

Hier kommt hochwertiges Wohnfeeling auf, elegante Chromstahllehnen an den Sofas und formschöne Schränke mit praktischen Fächern passen perfekt ins gepflegte Ambiente. Die Holzarbeiten profilieren sich mit runden Kanten, sehr schön passt der eher dunkel gehaltene Holzton zu den beigen Polsterbezügen. Der ausklappbare Salontisch ist höhenverstellbar, dient also wahlweise als Coffee Table oder als Esstisch.

Doch erst wenn man die Stufen zu den Lebensräumen in den beiden Kufen hinuntersteigt, erhöht sich die Achtung vor den Innengestaltern von Reseo Design. Kaum zu glauben, wie geschickt hier Raum geschaffen und ausgenützt wurde. Kein Engegefühl in den Doppelkabinen dank grosszügigen Seitenfenstern, sogar auf der Kopfseite bringt ein Lukenfenster noch mehr natürliches Licht in die Gemächer. Die Eignerkabine setzt sich in eine Art „Home Office“ fort. Beim Bad trifft eher die französische Bezeichnung „Salle“ de bain zu. Unterteilt durch eine Glasfront in Bad und Dusche, glänzt hier das Design mit zwei stylischen ovalen Waschbecken auf dunklen Holzmöbeln. Hohe Spiegelkästen verdoppeln effektvoll den Raumeindruck und die vielen Schränke und Ablageflächen lassen keine Wünsche offen.

 

Erfahrungssache

Auch beim Rundgang wird fast überall klar, dass die Feedbacks aus der Praxis umgesetzt wurden. Über 200 Nautitech-Kats wurden bereits ausgeliefert, das ergibt einen ganz schönen Erfahrungspool, der den Bootsbauern wichtige Verbesserungshinweise liefert. Insgesamt macht die 46er einen sehr ausgereiften Eindruck, auch das Bewegen an Bord ist eine „runde“ Sache, es gibt keine Engpässe oder kritische Passagen zu bewältigen. Auch die Treppenstufen auf das Roofdach wurden verbessert, die waren bei den alten Modellen noch etwas tricky. 

Das überdachte Cockpit – oder soll man sagen Haupt-Lebensraum? – offeriert Sitzplätze in Hülle und Fülle. Über den Daumen gepeilt können sich hier 12 Personen niederlassen, mit Klappstühlen noch eine Handvoll mehr. Dementsprechend grosszügig dimensioniert ist der Outdoor-Kühlschrank…

Genau so souverän wurden auch die Relaxzonen verfeinert. Der schöne Rundumblick aus dem Salon ist geblieben, das Switchen von aussen und innen geschieht fast übergangslos. Die Geniesserzone auf dem Vorschiff wurde mit zusätzlichen Polstern, Abstellfächen und Gläserhalter in einen einladenden Lounge-Teil verwandelt. Wer sich hier einmal niedergelassen hat, steht so schnell nicht mehr auf…

 

Kommandosache

Auch dem arbeitenden Teil der Crew wird der Job nicht allzuschwer gemacht. Wie schon gesagt, ist die Steuerposition perfekt platziert und der Sitz höchst komfortabel. Da die Motorhebel nur auf der Steuerbordseite platziert sind, gilt es, diese Tatsache bei Hafenmanövern einzubeziehen. Bekanntlich steuert sich ein Kat am besten mit den beiden Motoren. Die zwei Volvo-Aggregate mit jeweils 40 PS haben kein Problem, die Nautitech auf ihren schnittigen Kufen in Schwung zu bringen und bei munteren 7 Knoten übers Wasser zu pushen. Wer mehr Power möchte, kann die 2 x 50 PS Version ordern, aber dieses Geld kann man sich getrost sparen. Der Zugang zu den Motoren geht über das Achterdeck. Die Saildrive-Konfiguration macht beim Segeln wenig Widerstand. 

Das ausgestellte Gross ist ein Fullbatten-Modell und steht perfekt. Das Handling des laufenden Gutes ist logisch, absolut sinnvoll und frei von jeglichem Chichi. Wenden und Halsen sind dank der Selbstwendefock ein Kinderspiel und können vom Steuermann oder der Steuerfrau im Alleingang absolviert werden. Rollt man jetzt noch den Gennaker am Bugspriet aus, kommt Leben in die Bude. Bei acht Knoten Wind und etwas Abfallen tauchen nette 6 Knoten auf dem Display auf.

 

Die Preisfrage

Nautitech hat das Open-Konzept bei den Katamaranen erfolgreich initiiert und perfektioniert. Die Werft ist die erste Adresse für alle, die sich rassige, schnelle und trotzdem komfortable Kats zu fairen Preisen wünschen. EUR 455‘000 (plus Steuer) werden für die Open-Version fällig, mit nur wenig mehr, nämlich für 465‘000, darf man die Fly-Ausführung sein eigen nennen, mit dem Genuss einer zusätzlichen Relaxzone (U-förmige Sitzzone mit Tisch) hoch über dem Wasser. Hissez haut!

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