Die Recluta Renaissance

Die Recluta Renaissance

Die Recluta Renaissance

Editorial

11/02/2022 - 13:22

Eine Yacht, drei Generationen und das Schicksal, das die Fäden spinnt. Zelmira Frers ist mit der Arbeit zu ihrem Buch über die Geschichte und Entstehung der Recluta-Ketsch auch tief in die Familiengeschichte der Frers eingetaucht.

Die Geschichte der Recluta ist ein nautisches Epos, das im Jahr 1942 beginnt und fast 80 Jahre umspannt. Recluta ist ein Entwurf von Camper & Nicholson und wurde in England auf Kiel gelegt. Im Sommer 1942 nimmt die Yacht unter dem Kommando ihres Eigners Charlie Badaracco im Südatlantik an einer Regatta zwischen Buenos Aires und Mar del Plata teil. In der Nacht, mitten in einem heftigen Sturm, läuft die 20-Meter-Yacht in den flachen Gewässern vor Kap San Antonio auf Grund. Zunächst gelingt es der Besatzung, Recluta wieder flott zu bekommen, doch bei diesem Manöver geht ein Besatzungsmitglied über Bord. Beim Versuch, den Segler zu bergen, läuft die Yacht wieder auf, diesmal jedoch für immer. Wind und Wellen treiben die Rennyacht an den Strand.

Charlie Badaracco tut, was er kann, um so viel wie möglich von der angeschlagenen Yacht zu bergen. Schliesslich werden die Überreste zu einer Touristenattraktion, die immer weniger an die stolze Yacht erinnern. Doch die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Entschlossen, aus den Überresten Recluta noch einmal auferstehen zu lassen, wendet sich Badaracco an Germán Frers Sr., um die Yacht neu zu bauen, wobei er frische Ideen einbringt und sich ein weiteres Ziel setzt: die grösste Yacht zu konstruieren, die jemals in Südamerika gebaut wurde. 

Doch dazu soll es nicht mehr kommen. Der Zweite Weltkrieg macht dem Bau einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Baumaterial ist Mangelware, so ist zum Beispiel das dringend benötigte Blei für den langen Kiel nirgends zu bekommen. Die von Frers Senior 1943 gezeichneten neue Pläne für Recluta wandern in die Schublade und geraten in Vergessenheit.

Die Zeit vergeht, doch der nun 80-jährige Junior Germán Frers erinnert sich noch heute an das Bild der Recluta an der Wand der väterlichen Werfthalle. Und die Gespräche, die er zusammen mit seinen Brüdern und seinem Vater führte – oft auch über das Schicksal der Recluta, die sein Vater so gerne gebaut hätte. Die majestätische Yacht geht ihm nicht mehr aus dem Sinn, und so macht er sich in den Archiven auf die Suche nach den Originalplänen seines Vaters. Er lässt die Pläne digitalisieren, das erleichtert die weitere Entwurfsarbeit, denn Recluta soll sanft an moderne Komfortstandards angepasst werden. Den Auftrag legt Frers in die Hände versierter Bootsbauer – Tito, der Master, ist 84 Jahre alt, aber mit jugendlichem Eifer und Ausdauer am Werk. Das Bauholz kommt aus Rosario, 300 km nordwestlich von Buenos Aires am westlichen Ufer des Paraná, wo es 20 Jahre lang gelagert wurde. Aus Alaska stammt das Fichtenholz für die Masten, das leichte und trotzdem zähe Sitka Spruce wird auch für den Flugzeugbau verwendet.

Für Frers wird es ein Herzensprojekt, das er präzise und konzentriert angeht und souverän vollendet. Umso mehr freut es ihn, dass seine Tochter Zelmira dieses besondere Familienprojekt mit der Kamera begleitet. Als Architektin, Kreativdirektorin und Fotografin mit viel Einfühlungsvermögen verbindet Zelmira das Erbe ihres Grossvaters (den sie nie kennengelernt hat) mit der Passion und der Präzision ihres Vaters, um die Geschichte der Recluta in einem Buch von historischem, ästhetischem und emotionalem Wert festzuhalten.

“Dieses Buch hat es mir ermöglicht, das Konzept der Zeit, den Fluss des Lebens, das, was über die Generationen hinausgeht und von Generation zu Generation weitergegeben wird, zu überprüfen”, sagt Zelmira Frers. Um tiefer in die nautische Welt einzutauchen, las sie alles, was ihr Grossvater über die von ihm entworfenen Boote schrieb. “Ich lernte ihn durch seine Geschichten kennen und entdeckte einen abenteuerlustigen, neugierigen Mann mit einem grossen Sinn für Humor. Sein Leben hat mir gezeigt, dass man das eigene Le-ben so annehmen muss, wie es kommt. Von seiner Fähigkeit, sich auf hoher See anzupassen, habe ich gelernt, zu akzeptieren, dass wir der Natur und dem Unerwarteten ausgeliefert sind, und dass wir klug genug sein müssen, entsprechend zu handeln.”

Augenweide für Aficionados

Zelmira wuchs im Umfeld ihrer kreativen Grosseltern auf (der Dichterin und Schriftstellerin Elvira Orphée und des Künstlers Miguel Ocampo sowie des Designers Germán Frers Sr). Sie war schon immer fasziniert von dem Konzept der Zeit, dem Vermächtnis der Berufung zwischen den Generationen und der Sensibilität, ein kreatives Erbe auf Dauer zu erhalten. Noch nie arbeitete sie so lange an einem Projekt. Sie begleitete den Bauprozess über mehrere Jahre hinweg und war je länger desto mehr erstaunt darüber, wie etwas ab einer Planzeichnung unter den Händen fachkundiger Bootsbauer Gestalt annahm. 

Als Tochter und Enkelin verstand sie, dass der Bau von Recluta eine einzigartige Bedeutung hatte. Sie verspürte den Drang, diese besondere Story als Teil der Geschichte der argentinischen Yachting- szene zu dokumentieren. “Ich glaube, dass die Erzählung einer Gemeinschaft oder einer Kultur von kleinen individuellen Stimmen geschrieben wird. Es sind Geschichten, die von den Veränderungen der Zeiten und der Traditionen zeugen. In gewisser Weise möchte ich in diesem Buch einen Teil dieser Geschichte verewigen und das Wissen und die Techniken zeigen sowie die enorme Arbeit der stillen Protagonisten hinter den Kulissen.”

„The Story behind Recluta“ ist das erste Buch von Zelmira Frers. Sie zeichnet als Autorin sowohl der Texte als auch der Fotografien. Zelmira Frers hat sich schon in jungen Jahren als Architektin, Kreativdirektorin und Fotografin in einem Universum multidisziplinärer Kreativität bewegt. Ihre Karriere umfasst die Zusammenarbeit mit dem Zen-Architekten Paul Discoe in den USA, die Gründung des Studios machimbre®, das sich dem Design von Möbeln und Objekten, sowie dem Branding und der künstlerischen Leitung für verschiedene Modemarken widmet. Ihre Leidenschaft für die Fotografie hat sie bei Lehrern wie Aldo Bressi, Gaby Messina und Hisao Susuki entwickelt.

www.zelmirafrers.com

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