Der norwegische Architekt Espen Øino, Foto ©Guillaume Plisson

Der norwegische Architekt Espen Øino, Foto ©Guillaume Plisson

Die nächste Grenze im Yachting? Espen Øino denkt nuklear

Yachtdesign

31/10/2025 - 07:52

Vorgestellt auf dem Monaco Yacht Show in Zusammenarbeit mit Emerald Nuclear und PTT Nuclear Energy Systems, untersucht Øinos Konzept des modularen Nuklearreaktors, wie neue Generationen von Nukleartechnologien Leistung, Reichweite und Nachhaltigkeit in der Welt des Yachtings neu definieren könnten.

Norwegischer Herkunft und Wahlmonegasse, zählt Espen Øino heute zu den einflussreichsten Yacht-Designern der Welt. Seit über drei Jahrzehnten ist sein Name mit den ikonischsten Projekten der Branche verbunden – vom bahnbrechenden MY Eco (heute MY Zeus) bis zur legendären 126 Meter langen MY Octopus.

Geboren in Oslo und aufgewachsen zwischen Skifahren und Segeln entlang der zerklüfteten norwegischen Küsten, studierte Øino Schiffs- und Offshoretechnik an der Universität Glasgow, mit Schwerpunkt auf schwimmenden Strukturen, Stabilität und Hydrodynamik. Nach seiner prägendenden Erfahrung im Studio von Martin Francis, mit dem er seine erste Motoryacht entwarf, gründete er 1994 Espen Øino International – heute ein Designatelier mit Sitz in Monaco und über dreißig Mitarbeitern.

Im Folgenden unser Interview über das Projekt Nuclear Energy Systems.

Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Innovation

PressMare – Angesichts der strengen Vorschriften, der Sicherheits- und Umweltbedenken im Zusammenhang mit nuklearer Antriebstechnologie – wie lässt sich Innovation mit Risiko in Einklang bringen, sowohl für den Eigentümer/Nutzer als auch in Bezug auf die Reputations- oder Haftungsrisiken des Designers oder der Werft?

Espen Øino – Das Gleichgewicht liegt in der Technologie selbst. Wir erleben derzeit eine völlig neue Generation modularer Nuklearreaktoren – klein, inhärent sicher und speziell für mobile Anwendungen konzipiert. Anders als die alten Systeme, die in Tschernobyl oder Fukushima verwendet wurden, nutzen diese Reaktoren TRISO-Brennstoff, der in pyrolytischem Kohlenstoff und Siliziumkarbid gekapselt ist, wodurch eine Kernschmelze praktisch ausgeschlossen ist. Das reduziert das Risiko eines thermischen Durchgehens oder einer Strahlungsfreisetzung erheblich.

Aus regulatorischer und reputativer Sicht sind Transparenz und Aufklärung der Schlüssel. Die öffentliche Wahrnehmung entwickelt sich weiter, insbesondere da der Energiebedarf durch Sektoren wie KI und Rechenzentren exponentiell wächst. Länder, die ihre Nuklearprogramme eingestellt hatten – etwa Deutschland – öffnen die Diskussion erneut. Für Designer und Werften besteht die Herausforderung darin, klar zu kommunizieren: Der Eigentümer betreibt den Reaktor nicht – er bezieht lediglich Energie. Der Reaktor wird von einer dritten Partei installiert, gewartet und betrieben. Diese rechtliche Trennung ist entscheidend für Verantwortung und Vertrauen.

Auch Klassifikationsgesellschaften und Flaggenstaaten zeigen starkes Engagement. Sie arbeiten schnell, kooperativ und zielgerichtet. Die Sicherheitszonen dieser neuen Reaktoren liegen innerhalb der Schiffsgrenzen, beeinträchtigen also weder Hafeninfrastrukturen noch Hoheitsgewässer. Das ist ein Paradigmenwechsel für die regulatorische Akzeptanz.

Das Projekt Nuclear Energy Systems von Espen Øino

Integration in die Vision und Nutzung des Eigentümers

PM – Yachtbesitzer haben oft klare Vorstellungen vom Einsatz ihrer Yachten – Mittelmeer-Kreuzfahrten, Expeditionen, Geschwindigkeit, Komfort, Service. Wie würde sich der Nuklearantrieb in verschiedene Nutzungsszenarien einfügen? Wann ist er sinnvoll, wann überdimensioniert oder unpraktisch?

EØ – Nuklearantrieb ist sinnvoll für Schiffe mit hoher Einsatzdauer – Expeditionsyachten, Eisbrecher oder kommerzielle Schiffe, die bis zu 90 % des Jahres in Betrieb sind. Diese profitieren von konstanter, leistungsstarker Energieerzeugung. Ein modularer 5-MW-Reaktor produziert 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr Strom. Ideal für autonome Schiffe in abgelegenen Regionen.

Für typische Superyachten, die 80–85 % der Zeit stillliegen, wäre ein Nuklearantrieb überdimensioniert. Die Leistung übersteigt den Bedarf einer Vergnügungskreuzfahrt. Aber für visionäre Eigner, die polare Regionen erkunden oder emissionsfrei fahren wollen, ist es eine faszinierende Option. Wir haben diese Mentalität bereits mit Wasserstoffinstallationen wie der Feadship Breakthrough oder Innovationen wie dem Dynarig der Maltese Falcon gesehen. Diese Eigner investieren bewusst in einzigartige Systeme. Nuklearantrieb könnte für sie die nächste Grenze sein.

Regulatorische und Klassifikations-Herausforderungen

PM – Welche regulatorischen oder klassifikatorischen Hürden müssen überwunden werden, bevor der Nuklearantrieb im Superyachtsektor praktikabel wird? Und welche Schritte sind entscheidend, um den Dialog voranzubringen?

EØ – Die größte Herausforderung ist die Harmonisierung des internationalen Seerechts mit neuen Nukleartechnologien. Derzeit gibt es etwa 200 nuklearbetriebene Schiffe, hauptsächlich militärische. Zivile Anwendungen sind selten, und viele Länder verbieten nuklearen Schiffen noch immer die Einfahrt in ihre Hoheitsgewässer – ausgehend von alten Notfallannahmen.

Die neuen modularen Reaktoren verändern die Lage. Ihre Notfallzonen liegen innerhalb des Schiffs, sie erfordern minimale Crewintervention und sind so konzipiert, dass sie wie Gasflaschen ausgetauscht werden können – abgeschirmt, versiegelt und vom Anbieter betreut. Das vereinfacht die Rechtslage erheblich. Klassifikationsgesellschaften und Flaggenstaaten bilden bereits Arbeitsgruppen. Der wichtigste Schritt ist, reale Anwendungen zu zeigen.

Daher arbeiten wir mit Emerald Nuclear in Seattle und ihrer norwegischen Tochter zusammen, um bis 2029 einen Demonstrationsreaktor auf einer Barge nahe der Technischen Universität Aalto zu errichten. Die erste Installation auf einem Schiff ist für 2031 vorgesehen. Sobald Regulierer diese Systeme in Betrieb sehen – sicher, effizient, autonom – wird die Diskussion vom Theoretischen ins Praktische übergehen. Versicherer sind bereits eingebunden. Das ist ein starkes Signal.

Die Präsentation des Modular Nuclear Reactor Concept auf dem Monaco Yacht Show

Technologische und Designimplikationen

PM – Aus Sicht des Designs und der Schiffsarchitektur: Welche technologischen Hürden bestehen? Wie beeinflusst der Nuklearantrieb Layout, Gewichtsverteilung, Wohnräume, Kosten und Lebenszyklusmanagement?

EØ – Die größte Herausforderung ist die Gewichtskonzentration. Herkömmliche Tanks verteilen das Gewicht entlang des Rumpfs. Ein Nuklearreaktor, auch ein modularer, ist eine hochdichte Einheit – typischerweise 400–450 Tonnen allein für die Abschirmung. Dieses Gewicht muss zentral positioniert werden, um strukturelle Ungleichgewichte zu vermeiden.

In unserem 120-Meter-Konzept haben wir zwei 5-MW-Reaktoren in 20-Fuß-Containern unter der Tendergarage untergebracht. So können sie leicht entfernt oder ersetzt werden, ohne den Rumpf zu öffnen – anders als Dieselgeneratoren. Das Lebenszyklusmanagement wird vereinfacht: Der Reaktor ist versiegelt, erfordert keine Crew-Intervention und wird alle fünf Jahre gewartet. Eine Brennladung hält 15–25 Jahre. Der verbrauchte Brennstoff verbleibt im Inneren und wird vom Anbieter recycelt.

Die Wohnräume bleiben unbeeinträchtigt: Die Abschirmung verhindert Strahlenexposition, und das Energiesystem – mit superkritischem CO₂ oder Stickstoff – ist vollständig getrennt. Der Wirkungsgrad erreicht bis zu 45 %, deutlich höher als bei Dampfturbinen.

Marktnachfrage und Akzeptanz durch Eigentümer

PM – Wie schätzt du die Nachfrage der Eigner nach emissionsfreien oder nahezu emissionsfreien Systemen ein? Würden Eigentümer Nuklearantrieb akzeptieren – aus Leistungs- oder Nachhaltigkeitsgründen? Welche Kommunikationsherausforderungen bestehen?

EØ – Die Nachfrage wächst, besonders unter Eignern, die die Grenzen alternativer Systeme kennen. Grüner Wasserstoff, Methanol oder Ammoniak erfordern enorme Energiemengen für ihre Herstellung – oft mehr, als sie liefern. Das ist langfristig nicht tragfähig. Nuklearenergie bietet unübertroffene Energiedichte. Sie ist der einzige realistische Weg zu Netto-Null-Emissionen für die Schifffahrt, die heute etwa 3 % der globalen Emissionen verursacht.

Eigner, die Leistung, Reichweite und Nachhaltigkeit schätzen, werden die Vorteile erkennen – vor allem, wenn sich die öffentliche Wahrnehmung weiterentwickelt. Kommunikation ist entscheidend: Man muss die Kernenergie entmystifizieren. Es geht nicht um Strahlung oder Risiko, sondern um Elektrifizierung. Der Reaktor ist eine Wärmequelle; der Antrieb erfolgt elektrisch – wie bei Elektrofahrzeugen, die in Norwegen inzwischen 95 % der Neuzulassungen ausmachen. Versicherungen, Hafenzugang und Vertrauen werden folgen, sobald die ersten Demonstrationssysteme laufen. Wir sehen bereits Investoren und Versicherer, die vor zwei Jahren noch skeptisch waren, heute aktiv Partnerschaften eingehen. Der Trend ist eindeutig.

PM – Vielen Dank, Espen. Deine Einschätzungen sind nicht nur technisch fundiert, sondern auch visionär. Dieses Gespräch hilft unseren Lesern, das tatsächliche Potenzial der Nuklearantriebstechnologie im Yachting besser zu verstehen.

EØ – Danke. Es ist eine spannende Zeit. Die Zukunft der maritimen Mobilität ist elektrisch – und die Nukleartechnologie ist ihr Schlüssel.

Filippo Ceragioli

 

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