
US-Zölle: Szenarien für die europäische und italienische Bootsindustrie
US-Zölle: Szenarien für die europäische und italienische Bootsindustrie
Nach den Champagnerjahren der Post-Covid-Zeit ist es für die Bootsbranche an der Zeit, den eigenen Gesundheitszustand zu analysieren. Die zunehmenden Handelskonflikte zwischen den USA und Europa rücken das Thema Zölle wieder in den Mittelpunkt.
Nach der Einführung von Zöllen auf importierten europäischen Stahl und Aluminium durch US-Präsident Donald Trump – in Kraft seit dem 12. März 2025 – plant die Europäische Union die Wiedereinführung von Gegenzöllen, die bereits 2018 im Rahmen der Durchführungsverordnung 886 eingeführt wurden. Diese Maßnahmen umfassen unter anderem Zölle auf Freizeitboote aus den USA. Der ursprünglich für den 1. April 2025 geplante Inkrafttretungstermin wurde nun auf Mitte April verschoben, um weitere Verhandlungen mit der US-Regierung zu ermöglichen. Verhandelt wird nicht nur über den Atlantik hinweg, sondern auch innerhalb Europas – mit teils sehr unterschiedlichen nationalen Positionen.
Die Position der italienischen Regierung
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni betonte die Notwendigkeit, einen Handelskrieg zu vermeiden, der beiden Wirtschaftsräumen schaden würde. In ihrer Ansprache vor dem Senat erklärte sie: „Handelskriege nützen niemandem und müssen mit allen Mitteln vermieden werden.“ Sie warnte zudem vor der Versuchung sogenannter „Vergeltungsmaßnahmen“ – also Gegenzölle – und sprach sich stattdessen für diplomatische Lösungen aus, um die italienische und europäische Wirtschaft zu schützen.
Meloni hob die Bedeutung starker Beziehungen sowohl zu den USA als auch zur EU hervor und plädierte für ein Gleichgewicht, das derzeit nur schwer zu erreichen scheint. Die Umsetzung dieser Strategie wird durch unterschiedliche Meinungen innerhalb der italienischen Regierungskoalition zusätzlich erschwert – etwa bei der Ukraine-Politik oder im Umgang mit den USA und Russland. Auch die Opposition zeigt sich aktuell uneinig wie selten zuvor.
Die Position der anderen EU-Staaten
Die Reaktionen der übrigen EU-Mitgliedstaaten sind gemischt, doch dominiert ein gemeinsamer Wille, den US-Zöllen entschlossen entgegenzutreten. Die Europäische Kommission hat jedoch beschlossen, die Gegenmaßnahmen bis Mitte April auszusetzen, um Verhandlungsspielraum mit Washington zu schaffen. Diese Entscheidung zeigt den Willen zur Deeskalation – allerdings ohne die Bereitschaft, europäische Interessen aufzugeben.
Die Haltung von Ursula von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte Bedauern über die Entscheidung der USA und bezeichnete die Zölle auf europäischen Stahl und Aluminium als „ungerechtfertigt“. Sie betonte, dass solche Maßnahmen sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern schaden und kündigte „feste und verhältnismäßige“ Gegenmaßnahmen zum Schutz der europäischen Wirtschaft an.
Italien bemüht sich – gemeinsam mit den übrigen EU-Staaten – um einen diplomatischen Ausweg aus der Krise, um einen Handelskrieg mit potenziell gravierenden Folgen auf beiden Seiten des Atlantiks zu vermeiden. Anders als 2018, als die Sorge noch begrenzt war, wird heute offen von einem möglichen Handelskrieg gesprochen – mit entsprechender Alarmstimmung in der europäischen Politik.
Die Bedeutung des US-Markts für die europäische und italienische Bootsindustrie
Laut aktuellen Daten der National Marine Manufacturers Association (NMMA) sind derzeit rund 12 Millionen Freizeitboote in den USA registriert – darunter Motor- und Segelboote sowie Kanus und Kajaks. Im vergangenen Jahr wurden in den USA rund 300.000 neue Boote verkauft, davon ca. 95 % Motorboote, 2 % Segelboote und 3 % sonstige Typen.
Nach Angaben von Confindustria Nautica ist der US-Markt der wichtigste Exportmarkt für die europäische Bootsindustrie. 2024 erreichten die Ausfuhren von Freizeitbooten in die USA ein Volumen von 1,4 Milliarden Euro. Italien hält dabei einen Anteil von 40 %, gefolgt von Polen, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Finnland.
Auf der anderen Seite stiegen die Importe aus den USA von 140 Millionen Euro im Jahr 2023 auf rund 200 Millionen Euro im Jahr 2024 – ein Indiz für die enge Verflechtung, aber auch ein klares Ungleichgewicht zwischen den Märkten.
Sollte die EU Mitte April erneut Zölle auf US-Boote erheben – wie bereits 2018 –, wären die Auswirkungen drastisch. Ein Preisaufschlag von 25 % würde US-Boote faktisch vom Markt verdrängen, sodass von den erwähnten 200 Millionen Euro kaum mehr etwas übrig bliebe.
EU-Zölle würden US-Boote vom Markt verdrängen
Ein noch größeres Problem für Europa – sowohl in wirtschaftlicher als auch in industrieller Hinsicht – entstünde, wenn Trump als Reaktion Gegenzölle auf europäische Boote verhängt. Das genaue Ausmaß ist derzeit schwer abzuschätzen, doch man kann davon ausgehen, dass der US-Präsident seine Haltung bald öffentlich machen wird. Trump hatte die EU bereits als „eine der feindseligsten und missbräuchlichsten Zollmächte der Welt“ bezeichnet und angekündigt, im Falle eines 50 %-Zolls auf US-Whiskey europäische Weine, Champagner und andere alkoholische Produkte mit einem Strafzoll von 200 % zu belegen. Diese Drohungen verdeutlichen, wie ernst der Handelskonflikt inzwischen geworden ist.
Auch in Italien wächst die Sorge über mögliche Zölle auf europäische Boote. Dennoch könnte die Lage für italienische Hersteller etwas entspannter sein, da ein Großteil des Umsatzes in den USA aus dem Superyacht-Segment stammt. Diese Yachten werden – wie weltweit üblich – meist unter einer ausländischen Flagge registriert, etwa der Cayman Islands, Malta, Isle of Man oder Marshallinseln (Red Ensign Group), die steuerliche Vorteile und regulatorische Anreize bieten. In diesem Fall wäre es deutlich schwieriger, europäische Produkte zu benachteiligen.
Für alle anderen Boote, die in den USA importiert und registriert werden, hängt allerdings ein Damoklesschwert.
Neben Zöllen auch der Euro/Dollar-Wechselkurs von Bedeutung
Zu beachten sind auch die Auswirkungen der Handelspolitik Trumps auf die Währungen. Seit dessen Wiederwahl am 20. Januar 2025 hat der Euro gegenüber dem Dollar deutlich zugelegt. Am 20. Januar lag der Kurs bei 1,0274 USD, ein Anstieg von 1,19 % gegenüber dem Vortag. Am 19. März stieg der Kurs auf 1,0897 USD pro Euro. Laut UBS Global Wealth Management könnte der Euro bis Dezember 2025 weiter auf 1,12 steigen. Für US-Kunden würde der Kauf eines europäischen Boots also selbst ohne Zölle zunehmend unattraktiv.
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