
Dekarbonisierung der Freizeitschifffahrt: Wo stehen wir heute?
Ein Jahr nach der Veröffentlichung der ICOMIA-Studie „Pathways to Propulsion Decarbonisation for the Recreational Marine Industry“ bot die Metstrade 2024 eine wichtige Gelegenheit zur Zwischenbilanz. Die Branche stellt sich heute die Frage: Was wurde bisher erreicht? Welche Lösungen wirken kurzfristig? Und welche Technologien und Strategien sind langfristig tragfähig?
Rückblick auf die Studie und ihre Wirkung
Die gemeinsam mit dem internationalen Ingenieurdienstleister Ricardo erstellte und von drei unabhängigen Organisationen überprüfte 558-seitige Studie gilt als wissenschaftlich fundiertes Referenzdokument. Ihre Ergebnisse wurden bereits in über 20 Ländern präsentiert und diskutiert.
ICOMIA-Präsident Darren Vaux betonte auf der Metstrade die Bedeutung objektiver Daten und Lebenszyklusanalysen (LCA), um falsche Wahrnehmungen und ideologisch geprägte Regelwerke zu vermeiden.
Kurzfristige CO₂-Reduktion: Was funktioniert?
Im Gegensatz zum Automobilsektor, der fast ausschließlich auf Elektrifizierung setzt, benötigt die Freizeitschifffahrt ein diversifiziertes Lösungsportfolio. Frank Hugelmeyer, Präsident der US-NMMA, verwies auf die weltweite Flotte von über 30 Millionen Booten mit Lebensdauern von 30 bis 50 Jahren – bei nur 2 % jährlichem Austausch.
Vor diesem Hintergrund erweisen sich nachhaltige Kraftstoffe als die effektivste Sofortmaßnahme – mit bis zu 30 % Emissionsreduktion, ohne dass die bestehende Flotte ersetzt werden muss. Elektrische, hybride und wasserstoffbasierte Antriebe sind in Entwicklung, aber noch nicht flächendeckend einsetzbar.
Praxisdaten: Vorteile nachhaltiger Kraftstoffe
Der ICOMIA-Report liefert klare Beispiele, wie sich nachhaltige Kraftstoffe im direkten Vergleich schlagen:
Ein Pontoon-Boot, wie es häufig in Nordamerika genutzt wird, könnte seine Emissionen sofort um 60 % senken. Um das mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb zu erreichen, müssten die Motorlaufzeiten um 190 % bzw. 200 % steigen.
Ein verdrängendes Motorboot reduziert Emissionen mit nachhaltigem Kraftstoff um 40 %. Elektro- oder Wasserstofflösungen bräuchten dafür 595 % bzw. 490 % mehr Betriebsstunden.
Auch bei Segel- und Hochleistungs-Motoryachten sind die Alternativen aktuell weniger effizient.
Infrastruktur vorhanden, Vertrieb fehlt
Obwohl die Infrastruktur im Wassersportbereich bereits mit nachhaltigen Kraftstoffen kompatibel ist, fehlt eine flächendeckende Vertriebsstruktur. NMMA und Suzuki Marine führen derzeit Pilotprojekte in den USA durch. Um die Lieferkette wirtschaftlich tragfähig zu gestalten, braucht es sektorübergreifende Kooperationen, etwa mit der Luftfahrtindustrie.
Zukunftsperspektive: Strom, Hybrid, Wasserstoff
Die Studie erkennt das Potenzial alternativer Antriebe ausdrücklich an – vor allem bei spezifischen Anwendungen. Fortschritte bei Batterietechnologie, Energiedichte und nachhaltigen Materialien deuten darauf hin, dass diese Technologien künftig an Bedeutung gewinnen.
ICOMIA bekennt sich klar zu einer multitechnologischen Strategie: mit Tools wie LCA-Plattformen unterstützt der Verband Werften und Innovatoren dabei, die CO₂-Bilanz nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Herstellung messbar zu senken.
Weitere Informationen sowie der vollständige Report stehen auf der offiziellen ICOMIA-Website zur Verfügung.
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